Die Elbvertiefung der Außen- und Unterelbe – Die 9. Fahrrinnenanpassung

Abbildung 1: Die „Cosco Shipping Leo“ im Verhältnis zur Unterelbe bei Wedel, Maße des Schiffes: 400 x 58,6 x max.16m, Ladung ca. 20 000 TEU ( 196 670 t)

Am 24.01.2022 gab es eine kleine Feierstunde im Wasserstraßen– und Schifffahrtsamt in Hamburg: Die 9. Fahrrinnenanpassung wurde als beendet erklärt. Am 23.07.2019 offiziell begonnen, soll es nun Schiffen mit einem Tiefgang bis 13,5 m tideunabhängig und bis 14,5 m (jeweils in Salzwasser) tideabhängig möglich sein, den Hamburger Hafen anzulaufen.

Anscheinend war die Feierstunde zu früh. Es gibt erhebliche Schwierigkeiten mit den Solltiefen und der anfallenden Schlick- und Sandmenge, wie zur Zeit in den Medien verbreitet wird und auch das WSA in seinen Meldungen verkündet. https://www.gdws.wsv.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/20221102_Tideelbe.html

Schon immer, seit der 1. Fahrrinnenanpassung um 1818, muss die Unterelbe ständig auf der jeweiligen Tiefe gehalten werden. Mindestens zwei große Laderaumsaugbagger arbeiten in den vielen letzten Jahren schon immer das ganze Jahr auf der Unterelbe, zusätzlich zu den Baggern im Hamburger Hafen.

Welche Auswirkungen diese Fahrrinnenanpassung auf die Elbe, die Natur, die Deiche und Nebenflüsse hat, ist an vielen Stellen nachlesbar. Und das natürlich sehr kontrovers.  

https://www.youtube.com/watch?v=LVjHAK0tQsc

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/elbvertiefung-containerschiffe-verschlickung-101.html

Welche unmittelbaren Auswirkungen hat sie hier für Kehdingen?

Es liegt hier ein großes Gebiet, welches für die „aquatische Kompensationsmaßnahme“ für die 9. Anpassung verwendet wurde: Schwarztonnensand, die Schwarztonnensander Nebenelbe, das Barnkruger Loch und der Asseler Sand.

Die Insel Schwarztonnensand selber wurde, obwohl sie schon unter Naturschutz stand, noch einmal „aufgewertet“. Die Schwarztonnensander Nebenelbe wurde ausgebaggert mit dem Ziel, neue Flachwasserzonen zu schaffen. Fielen doch vorher Teile des Fahrwassers bei Niedrigwasser komplett trocken, bleibt nach der Ausbaggerung dort (noch) das Wasser stehen.

Abbildung 2: Reges Treiben beim Ausbaggern in der Schwarztonnensander Nebenelbe 08 20

Das gleiche Ziel sollte im Barnkruger Loch erfolgen. Aber leider sind kurz nach der Ausbaggerung auf beiden Seiten die Uferböschungen abgesackt, so dass die gewünschte Tiefe von 70 cm bei normalem Niedrigwasser nicht erreicht wurde, der Priel fällt immer noch komplett trocken.

Abbildung 3: Barnkruger Loch fällt weiterhin trocken, Uferkanten sind nachgerutscht 20

Eine weitere Flachwasserzone sollte mit einem Fußballfeld- großen See auf Asseler Sand geschaffen werden. Dieser, auch Uferschlenze genannt, hat einen Einlauf von der Nebenelbe. Damit er bei Niedrigwasser nicht komplett leer läuft, wurde er mit einer Schwelle (Drempel) versehen. Gut zwei Stunden nach Niedrigwasser strömt neues Wasser hinein. Eine Frage der Zeit, bis auch dieser wieder verlandet ist, kommt doch bei jeder Tide auch neuer Schlick und setzt sich ab.

Abbildung 4: Das Wasser strömt über den Drempel in die Uferschlenze, 09 22

Immerhin wurde das Baggergut der Uferschlenze gleich verwendet. Im September 2020 konnte ein Teil des Deiches beim Ruthenstrom damit erhöht werden. Für viele ein denkwürdiger Zeitpunkt, Deicharbeiten so kurz vor der Sturmflutsaison.

Was im Hauptfahrwasser die Folge ist, nämlich eine immer schnellere und stärkere Zunahme der Schlickmenge, das geschieht auch in den Nebenarmen wie der Wischhafener Süderelbe und dem Ruthenstrom. Diese werden bei gewerblicher Nutzung zwar regelmäßig ausgebaggert oder mit den hocheffektiv arbeitenden Wasserinjektionsgeräten (WI-Geräten) ausgespült, können aber trotzdem nicht auf Tiefe gehalten werden. Sie bereiten den gewerblichen Nutzern, z. B. dem Fährbetrieb Glückstadt-Wischhafen, große Probleme. 

Abbildung 5: Elbfähre Glückstadt-Wischhafen kämpft im Dürresommer mit erheblicher Verschlickung, Copyright „Martin Elsen“

Auch die Sportboothäfen in Kehdingen haben diese Verschlickungsprobleme. Die dort ansässigen Vereine können mit einem mehrseitigen Formular und weiteren zahlreichen heranzuschaffenden amtlichen Unterlagen immerhin Zuschüsse aus dem „Schlickfond“, einem Topf der „Stiftung Elbfonds“, gegründet von der Stadt Hamburg, beantragen, um ihre Häfen tiefer zu halten. Die meisten Kosten und die Arbeitszeit müssen aber von den Vereinen selbst erbracht werden.

Aber wo können solche Einrichtungen wie die DLRG Unterstützung erfahren, wenn es schwieriger wird, im Notfall ihre Boote am Strand von Krautsand ins Wasser zu tragen, wenn die Helfer im Schlick einsinken? Die letzte Aufschüttung des Strandes erfolgte um 2000. Jetzt liegt bei Ebbe ein breiter Schlickgürtel im Weg, der die Rettung behindert.

Der in den 60er und 70er Jahren eingeschlagene Weg der Eindeichung mit gleichzeitigem Ausschluss der Tide und Verminderung der Ausdehnungsfläche von Wasser bei Sturmfluten zeigt seine Wirkung. Zunehmend tritt z.B. in der Stadt Hamburg im Bereich des Hafens die Elbe über die Ufer.

Ein Gegenbeispiel sei hier erwähnt, das den Weg in ein zukunftsfähiges Konzept aufzeigt: Das Freiburger Außendeichgelände. Erst wurde es sehr großräumig eingedeicht, jetzt ist durch die Zurücknahme des Deiches am Priel ein kleiner Teil dem Tideeinfluß wieder zurückgegeben worden. Davon brauchen wir mehr.

Abbildung 6: Die wieder dem Tideeinfluß zurückgegegenen Wasserflächen bei Freiburg

Aber können diese Kompensationsmaßnahmen helfen, wenn diese selbst wieder verlanden?

Leider halten sich die gewünschten Flächen nicht einfach von selber tief, wie vom Träger des Vorhabens (WSA Hamburg und Hamburg Port Authority-HPA) angegeben. Festgelegt wurde, dass der Träger des Vorhabens die Maßnahmen für einen Zeitraum von 25 Jahren zu unterhalten hat, nach Absprache sogar länger. Also immer wieder Baggern in zeitlichen Abständen!? Dabei wird der Untergrund und die Tierwelt im Wasser immer wieder stark beeinträchtigt.

Es war früher möglich, mit einem Ewer (ein Schiff von ca. 20 m Länge) von Wischhafen bis nach Barnkrug innerhalb der Nebenflüsse zu segeln. Nun kann nicht einmal ein Kanu diesen Weg nehmen. Deiche und Dämme, Verschlickung und Verwilderungen haben den Weg unpassierbar gemacht.

Eine große Gegenmaßnahme bildet das auf Krautsand angesiedelte WWF Projekt: „Das Naturschutzgroßprojekt Krautsand - Die Vielfalt der Tideelbe bewahren“. Das Ziel dieses Projektes ist es, die tideabhängigen Arme / das Elbästuar auf Krautsand zu erhalten und auszuweiten. Eine der geplanten Maßnahmen ist die Wiederöffnung der Verbindung zwischen Dornbusch und Gauensiek. Dieses Projekt ist sehr zu begrüßen und zu unterstützen.  https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/tideelbe/naturschutzgrossprojekt-krautsand/aktuelles

Der ansteigende Meeresspiegel erfordert mehr Raum. Auch in Kehdingen kann und muss dieser Raum geschaffen werden, damit wir hier weiterhin sicher und gut leben können!

Wir fordern daher:  

- Die durch die 9. Fahrrinnenanpassung genehmigte und doch nicht erreichte Tiefe von 13,5 m muss so weit zurückgenommen werden, dass eine deutliche Abnahme der Schlickmengen in der Unterelbe zu verzeichnen ist.

- Für Kehdingen muss ein wasserbauliches Konzept erarbeitet werden, das, z. B. durch Spülbecken (wie in Gauensiek oder in Freiburg), Pütten oder Entwässerungen, alle Kompensationsmaßnahmen ohne schädliche Baggerei tief hält.

- Auch die Tiefhaltung von nicht gewerblich genutzten Nebenflüssen muss von der öffentlichen Hand unterstützt werden.

Von Sirkka Tribbe


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